Kommentar der Woche vom 27.10.2019

  • von Emil Sänze
  • 28 Okt., 2019

Annegret Kramp-Karrenbauer - „The Germans To The Front“? Oder doch eher nicht?

Liebe Leser,

ein Witz vom Herbst 2018 lautete: Was haben der 30. September 2018 und der 8. Mai 1945 gemeinsam? Antwort: Die deutsche Luftwaffe verfügt noch über drei einsatzfähige Strahljäger. Zugegeben, das betraf noch die Amtszeit von Ursula von der Leyen, und doch ist damit über den desolaten Zustand der Bundeswehr nicht nur in materieller Hinsicht alles gesagt. Als ehemaliger Bundeswehrangehöriger aus „besseren Zeiten“ mag ich das Sujet mit gelinder Häme auswalzen: Eine Armee, deren von politischer Führung gehemmte Verwaltung keine U-Boote instandhalten und bemannen (Pardon: befrauen) kann, die eine Armee systematisch herunterwirtschaftet und mit politischen Hexenjagden und hinter----igen Karrieredeckeln für Patrioten deren Offizierskorps demoralisiert, die in fünfzig Jahren keine modernen Transportflugzeuge in Dienst bekommt und bei den Ukrainern mietet, die beim Lastenheft für Waffen oder für Stiefel nicht an warmes Klima denkt (Pardon: Wer konnte wissen, dass es unserer Selbstverteidigungsarmee – Art. 87a GG - in Afghanistan oder Mali warm wird?) und die ihre Drohnen in Israel kaufen muss, die dafür aber hinter jedem Schützen im Feld einen Staatsanwalt in Potsdam stellt, die in in vielen Schulen nicht einmal gelitten (da ist sie, die Toleranz!) wird, die völlig konsequent Munition für ein paar Tage hat (bis richtiges Militär kommt?), die das Gros ihrer Kampfpanzer Polen oder der Türkei gegeben hat oder sie gar verschrotten musste (ganze 328 Leopard II hat die Bundeswehr noch; wie viele davon fahren, weiß kein Mensch), deren alte Hubschrauber aus Ersatzteilmangel vom Himmel fallen, die bei PR-Werbeveranstaltungen Männer im Rock vorschickt und auf Teufel komm raus „divers“ sein will oder sonstige politische Mätzchen vertreten soll, oder deren Kanzlerin-Chefin gar ein verrostetes Segelschiff hat aber von einem Flugzeugträger träumt – eine solche Armee ist keine Interventionsarmee.

Für den Größenwahn und das geopolitische Abenteuer fehlen ihr ganz konkret die Mittel, und das weiß Frau Kramp-Karrenbauer auch. Im Übrigen würde mich interessieren, wo allfällig „rechte Verschwörungen“ unter Offizieren und Spezialkräften gewittert werden – wie hoch ist heute der Anteil muslimischer Soldaten in den deutschen Freiwilligen-Streitkräften, und wem würde deren Loyalität in einem Nahost-Umfeld gelten? Wie verhielten sich denn im Ersten Weltkrieg die Minderheiten in der multiethnischen K. u. K.-Armee? Ethno-loyal - Sie können es doch im Braven Soldaten Schwejk nachlesen.

Oder würde Frau Kramp-Karrenbauer andere Länder in ihre „Zone“ vorschicken, denen ihr Militär mehr als 1,2 % des BIP wert ist – weil sie ihr Militär für nationale Interessen vorhalten und einsetzen? Wer Militär guten Gewissens einsetzen will und den Tod von Soldaten in Kauf nimmt, muss glaubhafte nationale Interessen haben. Diese muss ein Staat überhaupt den Mut haben zu definieren, und unser Staat tut dies seit Jahrzehnten praktisch nicht. Dazu kommt die noch immer gültige Feindstaatenklausel der UN, die uns zu vornehmer Zurückhaltung drängen müsste, wenn es um irgendwelche Kopfschmerzen der UN geht – was hätten wir da denn als (UN-beauftragte) Feindstaaten zu suchen und unsere Soldaten den Kopf hinzuhalten? Früher wie heute wurden und werden in der Bunderepublik Konflikte mit dem Scheckheft geglättet und die nationale Identität mitsamt ihren Interessen wie eine obszöne Krankheit behandelt. Die deutsche Identität wurde in den Kohl-Jahren blitzartig zur „Standortdebatte“ der Krämerseelen herunterkastriert. Heute wird mangels Orientierung in vor hochmütiger falscher Moral triefenden Tiraden von „Multilateralismus“ geschwafelt, und ausgerechnet der dickste Junge auf dem Schulhof wollte partout ein Mädchen sein und kriegte in all seinen Beteuerungen, doch ein lieber zu sein, von seinen Spielkameraden stets unweigerlich die Hucke voll. Das hieß dann das Lob der „soft power“. Er sagte dann noch „Danke“ und fühlte sich als besonders guter Mensch. Man hat die ständigen Unterwerfungsgesten unter Alles und Jeden eigentlich satt, sich stets rituell Orientierung von angeblich so weisen und uneigennützigen supra- oder internationalen Organisationen zu holen und bei diesen Legitimität für die eigene Dummheit zu heischen.

Die tiefere Frage ist – warum hat Frau Kramp-Karrenbauer jetzt das Militär entdeckt, wo die Diplomaten angesichts der völkerrechtswidrigen türkischen Offensive in Nordsyrien leisetreten und das Maas’sche Außenamt sich geradezu windet? (Hat jemand den Eindruck gewonnen, Maas spiele in einer diplomatischen Liga mit z.B. dem russischen Außenminister Lawrow?) Was will sie jetzt mit dem dicken, morschen Stock? Man hat fast den Eindruck, es soll mit dem Vorschlag eine Art ritueller Männlichkeitsbeweis abgeliefert werden: Es wird offen mit der gewaltsamen Durchsetzung von politischem Willen gespielt, weil „hard power“ zum Potenz-Verständnis einflussreicher Staaten gehört. So als habe jemand einem Führerscheinneuling einen feuerroten Wagen gekauft, dem er nicht gewachsen ist. Er hat nicht einmal die Betriebsanleitung gelesen, will aber dringend protzen. Oder wieder anders gesagt: Das archaische Tier im Menschen meldet sich. Bei den Hyänen der Serengeti wird im strengen Matriarchat gelebt, Dominanz und Herrschaftsanspruch über das Rudel aber mit einem Scheinpenis ausgedrückt, der ansonsten zu recht wenig nütze ist. Es scheint ein wenig so, dass nun die Bundeswehr letztere Rolle spielen soll, und das wirkt für eine frisch gebackene Verteidigungsministerin schlicht wie unseriöses, krawalliges, eigensüchtiges und verantwortungsloses Bravado. So mag man sich in der eigenen Referenzgruppe unter den verschüchterten Männchen und bissigen Rivalinnen behaupten - wie weit kommt man aber damit an einem schlechten Tag, wenn es die Löwen wirklich ernst meinen? Diese viel geschundene Bundeswehr, bei klarer Kenntnis von deren Defiziten, zur Hebung des persönlichen politischen Gewichts und zur Profilierung ins Gespräch zu bringen, ist unseriös. Die Soldaten sind kein Spielzeug. Frau Kramp-Karrenbauer sollte die Truppe aus den Schlagzeilen bringen und in einem ruhigen Fahrwasser die Ausrüstungsmängel abstellen, sich gegenüber der rituell mißtrauischen linken Politik und sogenannten Zivilgesellschaft gegen Anfeindungen vor die Truppe stellen, und sie sollte den Patriotismus öffentlich stärken, anstatt ihn zu bekämpfen, ohne den keine Armee etwas taugen kann. Wenn die ganze Geschichte des deutschen Militärs verbrecherisch gewesen sein soll, und es entsprechend auch keine Heldenverehrung geben darf, auf welche Vorbilder soll sich ein deutscher Soldat berufen? Gerade ein Theodor Körner gälte den heutigen Machthabern doch als Nazi.

Der Krieg ist nach Clausewitz die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln; andererseits beendet Politik den Krieg. Krieg ohne politisches Ziel ist demnach fatal, denn er hat kein natürliches Ende. Militär ersetzt kein politisches Konzept. Kramp-Karrenbauers Vorschlag von einer international garantierten „Schutzzone“ in Nordsyrien ist ein Konzept des Multilateralismus, das in den falschen Hals geraten ist. Nicht, dass es nicht überaus wünschenswert wäre, die geplagte Zivilbevölkerung zu schützen, auch um neue entwurzelte Menschenströme von Europa abzuwenden. Aber vor wem sollen diese Menschen geschützt werden? Welcher Politik soll das Militär dienen? Offiziell bekämpft die Türkei in Nordsyrien, eben auch – vollends mit Wissen der Bundesregierung - mit deutschem Wehrmaterial, die der PKK nahestehende syrische Kurdenmiliz YPG. Diese sucht sich in mehrheitlich kurdisch besiedelten Gebieten im türkisch-syrisch-irakischen Grenzgebiet unter der Schwäche des Assad-Regimes die Keimzelle eines Kurdenstaates (oder mindestens einer kurdischen Teilautonomie in Syrien), angeblich nach einem rätesozialistischen Modell, zu erkämpfen. Man scheint Steuern zu erheben und im Übrigen durch kurdische Spenden besonders aus Europa unterstützt zu werden. Viele der kurdischen Kämpfer in Syrien stammen aus der Türkei selbst, und umgekehrt betrachtet die Türkei das nordsyrische Gebiet als einen Ruhe- und Rekrutierungsraum für die gegen die Türkei kämpfenden PKK-Kämpfer. Als Teil eines Bündnisses gegen den IS konnten die USA diese PKK-nahen Kurden gut brauchen und stellten sich vor sie. Und diese Keimzelle eines PKK-geprägten Kurdenstaates auf dem angrenzenden syrischen Territorium sucht (wieder einmal) Erdogan in einer für ihn günstigen Situation zu liquidieren, offenbar eine ewige Konstante türkischer Politik, während die USA einen Rückzug aus den Konflikten der Region suchen und Assad samt der verbündeten Russen für eine Wiederinbesitznahme noch nicht schnell oder stark genug sind.

Es kann nicht recht verwundern, dass andere NATO-Länder auf Frau Kramp-Karrenbauers Vorstoß verhalten reagieren. Es scheint gar kein politisches Konzept zu geben, bzw. dieses ist die Angelegenheit anderer Leute. Die türkischen Streitkräfte stehen auf syrischem Gebiet, und Erdogans und Putins Unterhändler reden direkt miteinander. Die großen Buben auf diesem Schulhof haben ihre Interessen gegenseitig abgecheckt – diese Katze ist längst den Baum hoch. Kramp-Karrenbauer kam zu spät, ohne Plan, ohne echten Grund, und mit einer nicht vorhandenen Armee, aber zur Blamage hat es noch gereicht. Mit angesichts der deutschen Möglichkeiten imaginären „Luftunterstützung für Notfälle“ oder „robusten Kampftruppen“ wird man wohl kaum die vorrückenden Türken unterstützen wollen, oder gar mit den Russen Scharmützel riskieren? Undenkbar. Gegen wen will man hier robust sein, und mit welcher Rechtfertigung? Andererseits wird man doch ebenso wenig die syrischen PKK-nahen Kurden gegen das NATO-Mitglied Türkei aktiv schützen wollen, oder eine kurdische Zivilbevölkerung von deren proto-nationalen Streitkräften trennen können. Für die Kurden Schutz zu gewährleisten, würde ehrlicherweise erfordern, dass die EU und / oder die NATO zum Endziel einer kurdischen Staatlichkeit bekennt – die Folgen lassen sich gar nicht durchkalkulieren, würden aber die Türkei von Europa entfremden. Die Türkei schlägt ihrerseits zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits den entstandenen Keim kurdischer Staatlichkeit zu zerschlagen und militante kurdische Separatisten in der Türkei von ihrer Unterstützung abzuschneiden, mit der Vertreibung der lästigen Kurden aber Platz für etwa 2 Millionen in der Türkei untergebrachte syrische Flüchtlinge zu schaffen. Und sollten wir diese Pläne stören, wird es Erdogan ein Leichtes sein, die Vertriebenen sich über die Ägäis nach Europa, sprich: Deutschland, in Bewegung setzen zu lassen. Die Herren Seehofer und Maas bekamen ebenso wie Bundeskanzlerin Merkel von Erdogan gezeigt, in welcher Liga von Politik sie tatsächlich spielen. Kramp-Karrenbauer (so SPIEGEL Online am 23.10.2019) hat vor ihren Äußerungen nicht einmal ihren eigenen Generalinspekteur konsultiert; die Stäbe scheinen wegen des leichtsinnigen Dilettantismus der Dienstherrin im Schockzustand.

Oder was sonst hätte man in dem Kurdengebiet eigentlich erreichen wollen? Bildet man sich ein, einen prekären Konflikt mit angeblich 30.000 – 40.000 fremden Soldaten, meinetwegen mit UN-Mandat, einfach für Jahrzehnte „einzufrieren“? Ich meine, die Akteure und ihre Interessen bleiben doch vor Ort vorhanden – es sei denn eben, es werden Gebiete entvölkert und unter der vordergründigen moralischen Entrüstung „der Weltgemeinschaft“ Vertreibungs-Tatsachen geschaffen. Solange eine bestimmte Ethnie in der Region vorhanden ist, sind auch ihre Interessen, Träume und ihr historisches Gedächtnis vorhanden. Sind sie fort, dann wird gestaltet. Die fraglichen Gebiete werden dann (analog zu den Erfahrungen nach den beiden Weltkriegen) für ein paar Jahrzehnte unter diese oder jene „Verwaltung“ gestellt, derweil planmäßig neu besiedelt und irgendwann (verschämt oder unverschämt) von den Akteuren, den Zuschauern und schließlich den Geschädigten als legal bindend formal anerkannt. So ist es den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach 1919 und nach 1945 geschehen. Aus Ankaras Sicht ist es demnach logisch, die als notorisch feindlich und gefährlich betrachteten Kurden mitsamt ihren Staatsambitionen aus dem nordsyrischen Grenzgebiet zu vertreiben. Wo diese neu vertriebenen Menschen dann mit großer Wahrscheinlichkeit landen, nämlich dort, wo schon viele Kurden sind und wo sie alle politischen Freiheiten bis hin zur demonstrativen Kooption in Staatsämter genießen – das können wir uns gut denken.
Ankara will vor allem den pankurdischen Nationalismus schlagen, ihm seinen geographischen Boden entziehen, entlang seiner Grenze zu Syrien eine Pufferzone schaffen. Diese Zone wird von der Türkei entweder brutal ethnisch gesäubert – dann kommt die Schutzzone ohnehin zu spät. Oder die jetzige Bevölkerung bleibt vorhanden, und der Status quo wird mit dem Jahrzehnte dauernden Einsatz fremder Mächte eingefroren. Wer garantiert dann, dass die Schutzmächte nicht von einer enttäuschten Bevölkerung als Besatzer und Feind angesehen und bekämpft werden – sofern diese Schutztruppe nicht, wie im Fall des Kosovo, die Ambition dieser Bevölkerung auf Staatlichkeit unterstützt und sich obwohl in Gegensatz zur Türkei, als auch zur syrischen Regierung (es ist deren Staatsgebiet) bringen müsste. Einen Grund zum Gehen gäbe es nie mehr. Und gegen wen sollte sie, wie gesagt, gegebenenfalls „robust“ auftreten? Gegen die Türken – unwahrscheinlich. Gegen die ortskundigen und kampfgewohnten kurdischen Partisanen-Milizen – fatal. Gegen die (Pardon, aber so ist es) völkerrechtlich anerkannte syrische Staatsgewalt, wenn diese in ihre souveränen Rechte wieder einzutreten wünscht – mit welchem Recht? Oder womöglich – und wieder mit welchem Recht – gegen die Russen, sollten diese das Wagnis eingehen, die legitime syrische Regierung dann auch im scharfen Schuss zu unterstützen? (Zumal ohne die russische Zustimmung im UN-Sicherheitsrat kein UN-Mandat zu erlangen ist).
Es hat den Anschein, als würden die bitter Enttäuschten wieder einmal die von einem eigenen Staat träumenden Kurden sein, zweifellos eine kurz vor der Staatswerdung wieder „abgeschnittene“ Nation, deren Schicksal ihre großen Nachbarn sind. Aber wie könnten gerade wir das ändern, sind wir doch beim besten Willen in keiner Weise zu irgendwelchen Bestandsgarantien in der Lage – zumal in Vorderasien. Weder Plusterei, noch demonstrativer Aktionismus ändert mittelfristig daran etwas, und ich mag mich nicht an Illusionen von einem Fortschritt der menschlichen Natur oder der Beziehungen unter Staaten hängen. Russland hat seine Stellung in Vorderasien / Mittelmeerraum behauptet, die USA ziehen sich unter Schadensbegrenzung zurück, die alt-imperialen europäischen Mächte sehen dort nichts für sich zu gewinnen. Die Konflikte einer zerrütteten Region löst man nicht dadurch, dass man fremde Quasi-Polizisten ins Haus setzt. Moralisch begründete Interventionen der geschilderten Art sind nicht einfach naiv. Der andauernd als vermeintliches Allheilmittel und oberstes Recht gepriesene Multilateralismus unserer Regierung artet gegebenenfalls sehr leicht in einen nicht nur fruchtlosen, sondern auch willkürlichen Militärinterventionismus aus. Stets zeigt sich eine kindische und leichtsinnige Neigung ab, in moralischem Autonomismus gegen den unsympathischen aber legitimen Machthaber seine Ordnungsvorstellungen durchsetzen zu wollen. Die Politik ist trotzig-infantil geworden, wenn die Welt nicht nach Wunsch funktioniert.

Man wird freilich (und hier meldet sich der Alarm im Hinterkopf!) das Gefühl nicht los, dieser selbstherrliche Gott-spielen-wollende Durchsetzungswille könne schon Morgen auch jedem Land wiederfahren, das die Club-of-Rome basierten 17 UN-Nachhaltigkeits-Zwangsziele einer „Großen Transformation“ für Mumpitz hält, an deren Ende schlicht Öko-Wächter und Kinderwunsch auf UN-Klima-Lizenz stehen werden. Dann werden Sie plötzlich brutale „humanitäre Interventionen“ irgendwelcher Wächter-Räte im angeblichen Interesse des „Überlebens der Welt“ erleben, die Freiheit wird sterben, und Ihr dummes, dummes Land wird sich in der Rolle eines beflissenen Büttels wichtig fühlen. Regime (siehe Venezuela) werden schon jetzt für nichtig erklärt, weil sie unseren Politikern nicht passen. Nein, wir Deutschen sind die Allerletzten, die dem „moralischen“ Interventionismus das Wort reden sollten – allzu viele Stiefel zu küssen hat man uns Deutsche gezwungen, und wir sollten anderen Völkern ihr Risiko und damit ihre liebe Freiheit lassen. Es gibt offenbar Dinge, und damit fängt die Verantwortungsethik an, die müssen Andere unter sich ausbalgen, damit nicht wir selbst weiter Schaden nehmen. Wir müssen uns an das Prinzip erinnern, das den Dreißigjährigen Krieg in Deutschland beendete: Als im religiös-moralischen Sendungswahn alles verwüstet und alle Kriegsparteien erschöpft waren, einigte man sich auf die Toleranz des Anderen, die Nichteinmischung. Oder – aus der Innenperspektive formuliert – das Selbstbestimmungsrecht. Die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ist keine Heils-Wunderbotschaft, die kindisch paradiesisches Denken zufriedenstellt. Aber sie grenzt wie eine Brandmauer Konflikte ein. Das fühlt sich trocken an, aber es hält die Risiken berechenbar.

Ihr Emil Sänze

Show More